Neues aus der Festung
08.11.2024
Ein Jahr Aberkennung Denkmalstatus
Das traurige Jubiläum des ehem. Kavalier I „Scharnhorst“
Kein Thema hat den früheren Verein Freunde der Festung Magdeburg, heute IG Freunde der Festung Magdeburg, stärker beschäftigt als der Umbau des ehemaligen Festungswerkes Kavalier I „Scharnhorst“ in eine Wohnanlage.
Über die Arbeiten am ehemaligen Festungswerk wurde wiederholt im Magdeburger Festungsboten berichtet und auch mit den zuständigen Behörden stand man in regen, meist einseitigen Austausch. Leider konnte das Festungswerk trotz hohen persönlichen Einsatzes der Vereinsmitglieder nicht gerettet werden. Da der Verein, nach intensiver und langwieriger Beratung des Vorstandes, zu dem Schluss kam, dass die Denkmaleigenschaften des ehemaligen Festungswerkes nicht mehr gegeben seien, beantragte der Verein am 19. Juni 2023 die Aberkennung der Denkmaleigenschaften.
Auf Anfrage zum aktuellen Bearbeitungsstand teilte das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt (LDA) in seinem Schreiben vom 5. September 2024 folgendes mit:
Von Seiten der Landeshauptstadt Magdeburg wurde über den Sommer respektive Spätsommer ein umfängliches Anhörungsverfahren mit den Einzeleigentümern des Kavalier I durchgeführt, mit dem Ziel, die Bereitschaft zur Umsetzung der Genehmigungsplanung vom 20.02.2020 auszuloten. Diese sah eine Teilwiederherstellung der ursprünglichen Südanwallung bis in Brustwehrhöhe vor, unter Freilassung der für die Wohnnutzung notwendigen Belichtungsöffnungen.
Dieser Wille war bei den Beteiligten nicht mehr vorhanden unter Inkaufnahme der Zerstörung der historischen Wallansicht des Kavaliers.
In enger Abstimmung . . . haben wir daraufhin die Denkmaleigenschaft des Kavalier I „Scharnhorst“ erneut bewertet und kamen zu folgendem Ergebnis:
Die Denkmalwertigkeit des Kavalier I „Bastion Scharnhorst“ in seiner Funktion als Defensivkaserne und wesentlicher Bestandteil des Ausbaus der Festung Magdeburg . . . ist nicht mehr gegeben.
Die ursprüngliche historische Wallansicht des Kavalier „Scharnhorst“ ist im Zuge des lfd. Umbaus zur Wohnanlage von 2016 bis 2023 irreversibel zerstört worden. Der historische Zeugniswert der südlichen Feldseite und deren südwestliche und südöstliche Flankenanteile ist nicht mehr vorhanden.
Sowohl die Denkmalfähigkeit als auch die Denkmalwürdigkeit sind verloren.
Die Anwendung des §2(2)1 DenkmSchG LSA ist für das Objekt nicht mehr gerechtfertigt.
Mit Anschreiben an die Untere Denkmalschutzbehörde vom 8. November 2023 erfolgte . . . die Löschung aus dem Denkmalverzeichnis des Landes Sachsen-Anhalt.*
Mit dem Anschreiben bestätigte das LDA somit, dass das ehemalige Kavalier I zum 8. November 2023 aus dem Denkmalverzeichnis gelöscht wurde und somit offiziell als zerstört gilt. Damit ist der Sachstand eingetreten vor dem der Verein seit 2016 die zuständigen Behörden wiederholt warnte.
Dass der Antrag auf Aberkennung ein zweiseitiges Schwert sein könnte, hatte der Verein als Antragssteller vorab erwogen. So verloren zwar die Eigentümer wie geplant ihre Steuervorteile für den Erwerb und die Sanierung eines Denkmals, sowie die Möglichkeit in diesem Zusammenhang Fördermittel in Anspruch zu nehmen. Aber auch negative Konsequenzen taten sich auf, wie sich zum Ende des Anschreibens vom LBA zeigte:
Die Streichung betrifft nicht nur die offene Kernkasematte und den Kasemattenkorps, sondern auch die Kehlkaponniere, das Reservewasserwerk und die Eskarpenmauer.*
Konkret heißt das, dass man alle Einzeldenkmäler die zusammen das Flächendenkmal Kavalier I „Scharnhorst“ bildeten aus dem Denkmalverzeichnis gelöscht hat.
Für das verschüttete Kriegsreservewasserwerk, dessen Beseitigung der Stadtrat am 6. Mai 2021 zu Gunsten einer Wohnanlage zustimmte, bedeutet das, dass es auch nicht erhalten werden kann, sollte das LDA bei seiner Freilegung feststellen, dass es erhaltungswürdig ist. Ein Umstand der bis jetzt im Raum stand. Auch könnten die Pläne die Kehlkaponniere um ein Stockwerk zu erhöhen wieder aus der Schublade geholt werden, sofern der Eigentümer sich nicht gleich für den Abriss entscheidet. Auch der langfristige Erhalt der 2010 wieder freigelegten Eskarpenmauer, die von den Eigentümern der angrenzenden Grundstücke im Moment als Stützmauer zweckentfremdet wird, ist in Zweifel zu ziehen.
Nur die Zeit wird zeigen, ob sich die vom Verein beabsichtigte abschreckende Wirkung auf Unternehmer, die vorhaben genauso rücksichtslos zu agieren, wie am Kavalier I „Scharnhorst“ geschehen, einstellen wird.
Die IG wird weiterhin einen kritischen Blick auf die Festung haben und sich nicht scheuen, sich einzumischen, wenn es nötig ist.
Denn wie es im Volksmund heißt: „Wer die Zukunft verändern will, muss die Gegenwart stören!“
* Teilweise gekürzter Auszug aus dem Anschreiben des LDA vom 05.09.2024





