Die Festung Magdeburg

Entwicklung der Festung Magdeburg und ihrer Werke

Magdeburg war vom Frühmittelalter bis 1900 ein ununterbrochen befestigter Ort.

Der Bereich des Domplatzes war zur Elbe hin mit offenen Spitzgräben aus vorottonischer Zeit umgeben. Im 10. Jahrhundert wurden die ersten Wehrmauern errichtet. Unter Erzbischof Wichmann von Seeburg (Regierungszeit 1152-1192) erfolgte die erste einheitliche Umwehrung der zu dieser Zeit ca. 60 Hektar umfassenden Stadt.  Sie setzte sich aus Mauer, Graben und Wall zusammen. Aus der Mauer traten die in sie eingefügten Wehrtürme heraus. Unter Erzbischof Albrecht II. (Regierungszeit 1205-1232) fand eine Stadterweiterung nach Norden statt, sodass die Befestigung nunmehr rund 110 ha umschloss.

Der frühneuzeitliche Ausbau der Stadtbefestigung begann in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts und zog sich bis 1550/1551, den Zeitraum der ersten neuzeitlichen Belagerung, hin. Die Befestigungen sind bis auf außerordentlich geringe Reste nicht mehr vorhanden. Die mittelalterliche Stadtmauer bestand als Teil des später angelegten Zwingers bis zu Beginn der 1870er Jahre. Dem Zwinger wurde ein ca. 50 Meter breiter Stadtgraben vorgelegt. Stützmauern sicherten die Grabenwände. In den Graben reichten zwingerseitig Wehrtürme hinab. Die Tore, die die länger gewordenen Wallpassagen zu schützen hatten, wurden durch Kanonentürme verstärkt. Die Anschlüsse der Befestigungen zur Elbe hin wurden mit Rondellen versehen. Das südliche Rondell unweit des Domes, der Große Gebhardt, wurde um 2000 teilweise dauerhaft freigelegt. (siehe Abb.) Das prismenstumpfartige Rondell Heydeck an der Südwestecke der Stadtbefestigung fand seinerzeit im Festungsbau Beachtung, z.B. durch Daniel Specklin (1536-1589). Die frühneuzeitliche Befestigung bewährte sich bei der Belagerung von 1550/1551.

Bis zum 30jährigen Krieg (1618-1648) blieb die frühneuzeitliche Befestigung weitgehend unverändert. Sie hielt während des Krieges den ersten Belagerungen stand, ehe sie 1631 überwunden und Magdeburg anschließend in einer Feuersbrunst zerstört wurde. Eine moderne Bastionierung wurde zu dieser Zeit gerade erst durch Otto von Guericke (1602-1686) begonnen und zwar an den Anschlussstellen der Werke zur Elbe. So entstanden nach der altniederländischen Befestigungsmanier das Neue Werk im Norden und die später so bezeichnete Bastion Cleve im Süden. Die weiteren Kriegsjahre waren durch Demolierung bei Abzug von Besatzungen und durch Instandsetzungsarbeiten bei der Übernahme durch die Belagerer gekennzeichnet. Die auf einen Bruchteil zusammengeschmolzene und zum Schanzdienst herangezogene Bevölkerung war bedingt durch chronischen Arbeitskräfte-, Material- und Werkzeugmangel kaum in der Lage, die Arbeiten auszuführen. Parallel dazu konzentrierten sich die Arbeiten auf die Instandsetzung des beschädigten Elbbrückenzuges.

1666 ging die Wehrhoheit der Stadt durch den sogenannten Klosterbergischen Vertrag an das Kurfürstentum Brandenburg über. Bis zur Übernahme der Stadt durch das Kurfürstentum im Jahr 1680 fanden Instandsetzungen und eine begrenzte Verstärkung der Werke statt. Unmittelbar nach dem Übergang der Stadt in brandenburgischen Besitz wurde mit den Vorbereitungen zum modernen Festungsbau begonnen. Die Errichtung der auf einer Elbinsel gelegenen Zitadelle zog sich bis 1702 hin. Das mit fünf Bastionen versehene Festungswerk sicherte den Elbübergang und die elbseitige Flanke der Altstadt. Unmittelbar danach wurde mit der Bastionierung der Altstadt begonnen. Es wurden zwei Bastionsgürtel geschaffen, die durch ein sogenanntes Binnenglacis im Bereich der Westfront voneinander getrennt waren. (siehe Abb.) Das äußere Glacis war unterminiert. Der erste Gürtel wurde 1713 und der zweite 1740 vollendet. Die Elbfront der Altstadt wurde in ihrem Südabschnitt durch einen Zwinger, den teilweise noch erhaltenen Fürstenwall (1723), gesichert. Der Festungsbaumeister Gerhard Cornelius von Walrave (1692-1786, tätig bis 1748), der das „Prinzip der Doppelfestung“ nicht nur in Magdeburg, sondern beispielsweise auch in Neiße (Nysa) mit dem Fort Preußen verfolgte, legte das bekannte Fort Stern (1721-1723) an. Damit sollte erreicht werden, dass nacheinander zwei Belagerungen erforderlich gewesen wären, nämlich die der Festungsstadt und die des getrennt von den Wallanlagen gelegenen Forts. In der ab 1709 geschaffenen ostelbischen Turmschanze, die einen einfachen Bastionsgürtel erhielt, wurde 1732 die Friedrichstadt gegründet. Die mittelalterlichen Befestigungen von Neustadt wurden nach 1680 durch einen breiten Graben verstärkt. In Sudenburg, das eine Veränderung seines Straßengrundrisses erfuhr, wurde in die Stadtbefestigung, einer Erde-Holzbefestigung, eine starke Geschützstellung eingefügt. Der um 1740 weitgehend abgeschlossene Ausbau der Festung ruhte, abgesehen von kleineren Maßnahmen, wie z.B. das Anlegen von äußeren Waffenplätzen, bis um 1800 weitgehend. Die Wallanlagen wurden in Friedenszeiten gärtnerisch genutzt. Um 1800 begann man mit der Vereinfachung der vergleichsweise schmalen Nordfront, die durch das unmittelbare Angrenzen von Neustadt nicht verbreitert werden konnte.

Für die Franzosen hatte Magdeburg eine hohe militärische Bedeutung. Es wurde 1807 zu einer französisch besetzten Festung im Königreich Westfalen. 1809 begannen die Planungen zur Erhöhung seiner Verteidigungskraft. In Vorbereitung seines Feldzuges nach Russland befahl Napoleon 1812, die Städte Sudenburg und große Teile der Neustadt abzureißen und an neuen Standorten wieder aufzubauen. Auf dem freiwerdenden Gelände von Sudenburg entstanden Militärbauten, darunter das die Umwallung der Altstadt und das Fort Stern verbindende Fort Napoleon, das später Scharnhorst hieß. Dieses verlorengegangene Festungswerk ist im Bereich des heutigen Hasselbachplatzes zu suchen.

Nach dem Wiener Kongress standen die Bundesfestungen und preußischen Grenzfestungen sowohl im Osten als auch im Westen zum Aus- oder zum Neubau an, sodass in Magdeburg nur dringend erforderliche Maßnahmen ausgeführt wurden. Dazu zählen der Neu- und Umbau der Torpassagen der Straßenfestungstore, der Bau von Eisenbahnfestungstoren, die Schaffung von Kriegspulvermagazinen in den Bastionen, der Bau eines großen Gewehrhauses, die Errichtung einer neuen Festungsbäckerei und das Anlegen eines Militärfriedhofes. Da die Soldaten noch weitgehend bei Bürgern einquartiert waren, wurden in den 1820er Jahren zwei Defensivkasernen errichtet. Es wurde der Plan gefasst, in den Festungswerken sechs weitere Defensivkasernen zu bauen, von denen jedoch nur die noch teilweise erhaltene Kaserne Mark ausgeführt wurde.

Zwischen 1840 und 1860 wurden zähe Verhandlungen zwischen dem Militärfiskus, den Eisenbahngesellschaften und der Kommune um einen Festungsumbau geführt. Dabei ging es neben der Modernisierung und Verstärkung der Festungswerke vor allem um eine Stadterweiterung sowie die Behebung der immer prekärer werdenden Behinderung des Eisenbahnverkehrs. So wurde u.a. erwogen, einen bastionierten Stadtteil mit Hafenbecken auf der Elbinsel Rotehorn zu errichten. Nach langem Ringen beschloss das preußische Kabinett 1863/1864 die Anlegung eines Fortgürtels und den Festungsumbau verbunden mit einer Stadterweiterung. Es wurden damit die Voraussetzungen für die Erweiterung der Altstadt nach Süden und nach Westen sowie den Bau eines Centralbahnhofs (Hauptbahnhof) geschaffen. Mit einer neuen, nach außen verschobenen Gradiente wurde ein Wall mit einer durchgehenden Walllinie nach der neu-preußischen Festungsmanier errichtet: Die Kurtinen verbinden die Kavaliere miteinander. 1869 wurde mit dem Bau begonnen, jedoch nur die neue Süd- und Südwestfront bis 1873/1874 ausgeführt. Zeitgleich wurde der Centralbahnhof (Hauptbahnhof) eröffnet.  

Auch die Altstadterweiterung wurde parallel begonnen. Auf den freiwerdenden Flächen der Nordwestfront wurden Militärbauten errichtet. Der Umbau der Nordwest- und der Nordfront fand nicht mehr statt.

Eine weitere Etappe des Festungsausbaus löste der Deutsche Krieg von 1866 aus. Er führte zum Anlegen des bis 1873 vollendeten Fortgürtels. Die Forts von 1866 sollten gegen einen Überraschungsangriff, etwa durch das Königreich Hannover, ebenso schützen, wie die Funktion der Festung, kurzzeitig eine Lagerfestung zu sein, erfüllen. So wurden im Festungsvorfeld Truppenverbände zur Verstärkung der preußischen Mainarmee gebildet.

1873 war der Festungsausbau mit neuen Straßen- und Eisenbahntoren im Wesentlichen abgeschlossen. Der Bau der die Forts untereinander und mit der Festung verbindenden Militärstraßen zog sich bis zum Ende der 1870er Jahre hin. Danach wurden nur noch kleinere Maßnahmen ausgeführt. 1890 wurde schließlich der Beschluss gefasst, die Stadtumwallung schrittweise aufzugeben, was ab 1888 mit der Nordfront bereits begonnen worden war. Der Fortgürtel wurde durch Zwischenwerke, verteidigungsfähige Infanterieunterstände, verstärkt. Einige Forts wurden einem Umbau und Neubau unterzogen. Nach Aufgabe der Stadtumwallung war damit bezweckt, einen befristeten, hinhaltenden Widerstand gegen eine anrückende Feldarmee leisten zu können und den Verkehr über die Elbbrücken zu sichern.

1900 wurde der Kabinettsbeschluss gefasst, die Festung aufzugeben und abzuwickeln. 1912/13 wurde sie formal aufgehoben.


Dr. Bernhard Mai, Magdeburg, März 2023